Der Literaturtipp im Mai


„Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig, erschienen im DROEMER Verlag, 2021


Matt Haigs „Mitternachtsbibliothek“ ist eine spannende, unterhaltsame und kluge Geschichte über eine Grundfrage der Philosophie: Welches Leben ist das richtige? „Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gefüllt mit all den Leben, die du hättest führen können. Alles, was du jemals bereut hast, könntest du ungeschehen machen. Genau dort findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort
zwischen Raum und Zeit, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, hat sie plötzlich die Möglichkeit, all das zu ändern, was sie aus der Bahn geworfen hat. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?

Leseprobe: S. 203 / 204
„Man  kann sich gut vorstellen, dass es leichtere Wege gibt“, sagte sie, weil  ihr zum ersten Mal etwas klar wurde. „Aber vielleicht gibt es gar keine  leichten Wege. Sondern nur Wege. Im einen Leben bin ich vielleicht  verheiratet. In einem anderen Leben arbeite ich vielleicht als  Verkäuferin. Ich hätte zu dem netten Typen, der mich auf einen Kaffee  einlud, - Ja – sagen können. In einem anderen Leben erforsche ich
vielleicht  Gletscher am Polarkreis. Und wieder in einem anderen bin ich vielleicht  Olympiaschwimmerin. Wer kann das schon wissen? Jeden Tag, jede Sekunde  betreten wir ein neues Universum. Und wir vergeuden zu viel Zeit damit,  dass wir uns ein anderes Leben wünschen oder dass wir uns mit anderen  Leuten oder mit anderen Versionen unserer selbst vergleichen, wo es doch  in fast jedem Leben gute und schlechte Zeiten gibt.“ …
„Es  gibt Muster im Leben, Rhythmen. Wer in seinem Leben gefangen ist,  stellt sich gerne vor, dass traurige Phasen, tragische Ereignisse,  Versagen oder Angst sich aus jener ganz bestimmten Existenz ergeben.  Dass all dies ein Nebenprodukt einer bestimmten Lebensweise ist, nicht  des Lebens an sich. Was ich sagen will, es wäre alles viel einfacher,  wenn wir begreifen würden, dass es keine Lebensweise gibt, die gegen  Traurigkeit immun macht. Und dass Traurigkeit untrennbar mit Glück  verwoben ist. Man kann das eine nicht ohne das andere haben. Natürlich  erlebt man beides in unterschiedlichem Ausmaß, unterschiedlicher  Intensität. Aber es gibt kein
Leben,  in dem man immer nur glücklich ist. Und wenn man sich ausmalt, es gebe  so ein Leben, wird man im eigenen Leben nur umso unglücklicher …

unser Fazit „Unbedingt lesen“